In der Neuköllner Oper wird viel über das Musiktheater diskutiert. Nicht über dessen Reproduktion, sondern über dessen Erfindung. Diese Diskussion möchten wir nach außen tragen:
Und darum haben wir die folgenden 15 Fragen aufgeschrieben. Als Diskussionsbeitrag.
Zum darüber nachdenken, darüber aufregen, widersprechen oder beantworten:
VIER FRAGEN AN DAS MUSIKTHEATER
Was ist Musiktheater?
Vier Teile. Die Musik. Das Wort. Das Bild. Der Darsteller.
Wer spielt mit?
Jeder, der sich bewegt. Wer sich nicht bewegt, spielt nicht mit. Das gilt für den Sänger, es gilt aber auch für das Bild, das Wort, die Musik. Der Sänger muss sich bewegen. Alle anderen Teile auch. Sonst findet Theater nicht statt.
Was wird gespielt?
Gutes Theater hat einen Grund. Der Grund kann alles sein. Hauptsache, alle Mitspieler haben denselben. An ihm misst sich, wer sich wie viel bewegen muss.
Wer ist der König?
Immer der, der sich am wenigsten bewegt.
Wer ist im Musiktheater der König?
Das Wort. Die Musik. Das Bild. Der Darsteller - wer bewegt sich am wenigsten?
Ohne König müssten sich alle bewegen. Das spricht für ein demokratisches Musiktheater.
FÜNF FRAGEN AN DAS STÜCK
Warum spielen wir das?
Theater ist Konflikt. Musiktheater auch. Klingt banal, ist aber wirklich eine Voraussetzung, damit alle über das Gleiche reden. Was ist der Konflikt? Verstehe ich den Konflikt? Interessiert mich der Konflikt überhaupt?
Hätte er mich früher interessiert? Wenn ja - warum interessiert er mich jetzt nicht mehr? Was muss ich bewegen, damit er mich wieder interessiert? Das Wort? Den Text? Das Bild? Den Darsteller?
Wer will das sehen?
Theater hat ein Publikum. Das Publikum ist Realität. Wer bewegt sich mehr? Das Theater zum Publikum oder das Publikum zum Theater? Wichtig ist nur, dass beide sich bewegen. Sonst findet Theater nicht statt.
Wird das jemand verstehen?
Theater findet jetzt statt. Theater kann nicht warten. Theater will jetzt verstanden werden. Musik, Bild und Wort können warten, dass sie später einmal verstanden werden. Wenn sie mitspielen wollen, können sie nicht mehr warten.
Warum singen wir das?
Musiktheater ist nicht selbstverständlich. Und der singende Mensch ist ebenso wenig selbstverständlich. Der singende Mensch ist der Mensch im Ausnahmezustand. Mit Menschen im Ausnahmezustand soll man behutsam umgehen.
Warum singen wir das so?
Musiktheater ist kompliziert. Komplizierte Spiele haben viele Regeln. Jede Regel ist eine Hilfe, um mitspielen zu können. Aber Regeln können sich ändern. Ist es eine Regel oder ist es eine Konvention?
6 FRAGEN AN DIE MITSPIELER
Ist es einfach?
Musiktheater ist komplex, denn Musiktheater ist vielstimmig.
Wie viele Stimmen braucht man für einen vierstimmigen Satz? Vier. Nicht mehr. Das ist vielleicht ein bisschen tautologisch.
Komplexität braucht Klarheit. Je einfacher, desto reicher.
Wie viel Farbe brauche ich für ein Bild? Alles, was das Publikum nicht sieht, muss es sich selber denken. Das Publikum liebt es, selber zu denken. Man muss es nur immer wieder daran erinnern. Armes Theater ist besser als reiches Theater. Notgedrungene Beschränkung ist gut. Freiwillige Beschränkung ist besser.
Ist es ehrlich?
Musik kann verführen. Verführte sind unachtsam. Umso einfacher, sie zu belügen. Das sollte man nicht ausnutzen.
Ist es wahrhaftig?
Wenn alle Mitspieler sich glauben, ist es wahrhaftig. Wenn einer nicht an sich glaubt, ist es unwahrhaftig.
Ist es wahr?
Keine Ahnung. Aber es sollte das Ziel sein.
Ist es neu?
Natürlich ist es neu. Es passiert ja gerade.
Ist es modern?
Das ist egal.