LESEPROBE ORPHEUS IN DER UNTERWELT
Textfassung von Peter Lund
alle Recht bei LITAG ©
No1 Ouverture.
Das Orchester ist gut sichtbar hochgefahren. konzertathmospähre.
Die Öffentliche Meiung tritt vor das Orchester an ein Rednerpult..
Über das Melodram;
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Meine Damen und Herren- gibt es eine Zukunft für das Theater?
Und wenn; Zu welchem Preis?
Theater kostet Geld. Ihr Geld.
Was können Sie dafür von uns, von ihrem Theater verlangen?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß, nur was wir Ihnen geben können; Das Ringen um Wahrheit, künstlerisch und menschlich. Das Leiden des Künstlers ist das Leiden des Menschen: seinen eigenen Ansprüchen nicht zu genügen, seine Werten untreu zu werden, seine Träume zu vergessen und seine Liebe zu verraten.
Uns dies zu zeigen und uns zum Mitleiden zu bewegen, das ist die
große Kraft des Theaters. Und so wird es für das Theater solange
eine Zukunft geben, wie es Menschen gibt, die es wert sind, auf der
Bühne dargestellt zu werden.
Der Mensch zwischen Liebe und Pflicht; Gibt es eine schönere Fabel
als den Mythos des Orpheus, der unachtsam seine Geliebte Euridice an den Tod verlor und sie durch Treue wiedergewann?
Lassen Sie sich berühren von dieser Fabel, die uns alle belehrt, was Liebe und Treue vermögen. Eine Geschichte, so alt wie die Menscheit.
Eine Geschichte, so alt wie das Theater.
Orpheus und Euridice.
Euridice ist mit einer Blume aufgetreten, bereit zu singen. Das Orchester spielt die neun Takt Forte, Euridce öffnet den Mund, der Dirigent klopft ab;
Dirigent:
Fünf Minuten Pause.
Allgemeine Unruhe und Unwillen, Teile des Orchesters gehen ab, Orpheus stellt sich mit einer Geigerin an den Grabenrand und macht Eindruck. Keiner achtet auf Euridice.
Euridice:
Orpheus-
Orpheus:zu der Geigerin
..da ist mir natürlich der Bogen aus der Hand gefallen, ich meine, was bildet der Kerl sich ein, das sind alles meine Steuergelder-
Euridice:
Orpheus!
Orpheus:
.. ich meine, ich muß mir das nicht gefallen lassen, ich bin ja noch nicht scheintot, ich meine, wenn hier alles den Bach runtergeht, du, da sag ich dann auch, da will ich nich tot überm Zaun hängen-
Die Geigerin giggelt bewundernd. Euridice ist es sehr unangenehm zu stören.
Euridice:
Schatz!
Orpheus:
Ja?
Euridice:
Ich-
Orpheus:
Was? zur Geigerin Entschuldige.
Euridice:
Ich bin so unglücklich.
Orpheus:
Warum?
Euridice:
Ich weiß nicht. Es liegt sicher an mir. Aber ich hab das Gefühl-
Orpheus:zur Geigerin
Auf jeden Fall hab ich den Alten schon mal vorgewarnt-
Euridice:
Also- ich weiß nicht-
Orpheus:
Was denn?
Euridice:
Ich hab das Gefühl-
Oprheus:zur Geigerin
Nicht mit mir!
Euridice:
-ich hab das Gefühl, mir hört keiner zu.
Orpheus:
Was?
Euridice:
Findest du, ich bin....langweilig?
Orpheus:
Schatz! Du weiß, wenn ich Musik mache-
Euridice:
Ich weiß, ich weiß! Es ist bloß-
Orpheus:
Wir arbeiten hier!
Euridice:
Klar. kurze Pause. Liebst du mich noch?
Orpheus:
Später. O.k?
Euridice:gefaßt
O.k.
Die Musiker haben wieder ihre Plätze eingenommen und der Dirigent klopft ans Pult.
Orpheus schlüpft als Letzter auf seinen Platz, nicht ohne der Geigerin noch einmal verschwörerisch zuzuzwinkern. Euridice steht ratlos auf der Vorbühne.
Das Vorspiel zu Euridice Arie beginnt.
No 1 Arie Euridice
Euridice:
Hat man als Frau zu wilde Träume
dann schläft man nicht sehr viel
man geistert schlaflos durch die Räume
und sehnt sich ohne Ziel.
All die Tage ,diese langen
so solo ohne Mann
weiß man gar nichts anzufangen-
was fängt man da an?
was fängt man da an?
Na, was?
Das Orchester fährt ab. der Zwischenvorhang geht auf.
1. BILD
Das Haus von Orpheus, im Souterrain die Wohnung von Arsiteus. .
Euridice:
Man fängt was mit dem Nachbarn an,
dem Nachbarn an
wobei man gar nichts dafür kann
nichts dafür kann.
das liegt alles nur daran
das man einfach klingeln kann
drum hat auch jede irgendwann
was mit dem Mann von nebenan!
Ich sitz allein auf der Etage
das bin ich so gewohnt
vom Gartenzaun bis zur Garage
das ist mein Horizont
Tausend Frauen in der Siedlung
geht es ganz genau wie mir
wir stehn frei zur Neuvermietung
und so klingeln wir
an der nächsten Tür
der Tür
Kling-Kling-Kling-
So fing das mit dem Nachbarn an
dem Nachbarn an.
Wobei ich gar nichts dafür kann
nichts dafür kann.
Das lag alles nur daran
das man einfach klingeln kann
und darum hab ich schon so lang
was mit dem Mann von nebenan!
Euridice:
Er ist nicht da!
Ach, es ist ein Geheimnis um diesen Mann. Ein romantisches Geheimnis.
Wir begegnen uns im Treppenhaus. Ich grüße. Er grüßt freundlich zurück.
Ich bitte ihn auf eine Tasse Tee hinauf. Er lehnt dankend ab. Ich läute
unter fadenscheinigem Grund an seiner Tür, hoffend, daß er mich
hereinbittet. Er tut es nicht. Und dann endlich- ein verstohlener Kuß bei den
Briefkästen! Ach, Aristeus!
Nie empfängt er Besuch. Nie dringt nur ein Laut aus seinem Appartement. Was tut er? Wie wohnt er? Wen liebt er? Er ist einsam, ich weiß es.
Einsam, wie ich. Und ich liebe ihn! sie wirft die Blume Richtung Tür.
Orpheus ist aufgetreten und hat Euridice beobachtet.
Orpheus:
Wem wirfst denn du hier Blumen zu?
Euridice:faßt sich schnell
Weißt du, wie spät es ist?
Orpheus:
Wem du hier Blumen streust, habe ich gefragt!
Euridice:
Dem Zephir?
Orpheus:
Dem Zephir?
Euridice:
Dem Wind. Griechisch. Und wem hast DU deinen Feierabend gewidmet?
Orpheus:
Dem Mond.
Euridice:
Dem Mond?
Orpheus:
Ich habe komponiert. Una Sonata lunata.
Eurdice:
Deine Mondscheinsonaten kenne ich.
Orpheus:
Lateinisch.
Euridice:
Orpheus, wir sprechen zwei verschiedene Sprachen.
Orpheus:
Unsinn.
Euridice:
Laß uns offen sein. Du liebst eine andere.
Orpheus:
Unsinn.
Euridice:
Du liebst viele andere?
Orpheus:
Unsinn!
Euridice:
Und ich liebe einen anderen-
Orpheus
Unsi- Wen?
Euridice:
Orpheus, ich möchte die Scheidung.
Orpheus:
Doch wohl nicht diesen harmlosen Honigvertreter-
Eurdice:
Divortium. Lateinisch.
Orpheus:
Aber das geht nicht. Das KANNST du nicht. In der Antike gibt es keine Scheidung. Ich könnte dich höchstens als Sklavin verkaufen.
Euridice:
Warum rede ich eigentlich mit dir?
Ich komme aus bester Familie. Mein Vater war ein GOTT!
Orpheus:
Halb. Halbgott.
Euridice:
Meine Mutter war eine geistreiche Nymphe. Und ich bin die Frau einer drittklassigen pädophilen Orchesteraushilfe mit dreistündigem Lehrauftrag an der Bezirksmusikschule, die ihre Finger nicht bei sich behalten kann!
2. Bild (Ausschnitt)
Orpheus:
Ich trau mich gar nicht, die Augen aufzumachen. Entweder dieser merkwürdige Mensch war ein ausgemachter Spinner und mein penetrantes Weib sitzt wie jeden Abend auf dem Bett und glotzt beleidigt die Wand an, oder aber er hat eine sagenhafte Sauerei angerichtet und ich werde die Polizie benachrichtigen müssen und die Nachbarn werden sich das Maul zerreißen und ich werde tagelang damit beschäftigt sein, die Wohnung wieder sauber zu kriegen, und das, wo mir schon schlecht wird, wenn sich nur jemand in den Finger schneidet- Aah!
Er hat die Schrift an der Wand entdeckt und liest halblaut mit.
Orpheus:
Ich schreib in Eile .....Arsiteus ....Gott der Hölle
......sterben muß...... Gruß und Kuß.....
Kurzes Schweigen. Dann;
Orpheus:
JAWOLL!!! Ja!!! HA- HAAA!!! er stutzt Irgendjemand in der Nähe?
er sieht in's Publikum Nein, ich bin allein. Ich kann mich also ungestört meiner Freude hingeben! Welch ein beglückender Verlust! Fast bin ich geneigt, in meiner Seeligkeit für mein seeliges Weib Sympathien zu entwickeln, aber so weit wollen wir dann doch nicht gehen!
Jaaaaaaa!
Die Öffentliche Meinung ist in aller Seelenruhe auf die Bühne gekommen und setzt sich auf einen leeren Stuhl.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Finden Sie das richtig?
Orpheus:
Pardon?
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Ein Mensch ist gestorben und Sie freuen sich?
Orpheus:
Kein Mensch. Meine Frau!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Und was die Öffentliche Meinung dazu sagt, ist ihnen völlig egal?
Orpheus:
Die öffentliche Meinung kann mich mal sonstwo!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Das wäre nun das Letzte, was ich mir wünschen würde.
Orpheus stutzt
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Im übrigen kann ich Ihnen versichern, daß es mir herzlich egal ist, was Sie als Privatperson beim Verscheiden ihrer Frau fühlen.
Nicht egal ist mir hingegen Ihr Verhalten als öffentliche Person.
Die Öffentliche Meinung hat ein Recht auf Sie als integerer Mensch und Künstler.
Orpheus:
Bitte was?
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Ich denke, Sie sollten Ihre Maßstäbe überdenken.
Orpheus:
Für einen wirklich integeren Künstler kann die Öffentliche Meinung NIE der Maßstab sein.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Sie unterschätzen mich, mein Lieber. Sie sind tarifrechtlich Angstellter eines subventionierten Kulturbetriebes. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Ihnen irgendwelche Steuergelder in den Hintern schiebe, damit Sie hier auf christlichen Werten Polka tanzen?
Orpheus:
Hat eine so attraktive Frau es nötig, so drastisch zu formulieren?
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Versuchen Sie gar nicht erst, mich anzubaggern. Die Öffentliche Meinung ist unbestechlich. Also entweder, Sie-
Orpheus:
Sie können mir nicht drohen. Was kümmern mich materielle Dinge?
Ich bin Künstler! Ich schaffe für die Ewigkeit!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Sie verwechseln da was. Ich bin unterblich. Nicht Sie.
Orpheus:
ICH stehe in Meyers Konversationslexikon! 21 Zeilen!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Und wer glauben Sie, hat Meyers Konverationslexikon geschrieben?
Wenn ICH Sie vergesse, sind Sie töter als ihre beschränkte Frau jemals sein wird!
Orpheus:
Oh mein Gott.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Da können Sie maximal hoffen, daß sie in irgendwelcher dubiosen Fachliteratur im Anhang auftauchen; Als drittklassige pädophile Orchesteraushilfe mit dreistündigem Lehrauftrag an der Bezirksmusikschule, die ihre Finger nicht bei sich behalten kann!
Orpheus ist sprachlos.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Ich schlage vor, daß Sie umgehend im Olymp eine Petition einreichen, mit der Bitte, Ihnen ihre Gattin postwendend zurückzugeben.
Orpheus:
Ich soll mich entwitwern? Da wäre ich wahrhaftig nicht wert, meine Frau verloren zu haben.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Sobald der Olymp Ihrem Antrag stattgibt und Sie beide sich wieder versöhnt haben, wäre ich meinerseits dazu bereit, die letzte unerfreuliche halbe Stunde aus meinem Gedächtnis zu tilgen, immer unter der Vorraussetzung, beide Ehepartner verpflichten sich in Zukunft, jede ehebrecherische und damit familiengefährdende Situation zu vermeiden.
Orpheus:
Sie kommen nicht zufällig von irgendeiner Partei ?
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Ich bin ideologisch nicht gebunden. Aber natürlich sehe ich meinen Schwerpunkt nach wie vor im liberal-konservativen Lager. Auch wenn gewisse linke Kampfpresseorgane mittlerweile gerne etwas anderes suggerieren würden.
Orpheus:
Aber ich liebe meine Frau nicht.
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Heilige Einfalt! Wenn Sie sie liebten, wäre ich nicht hier.
Orpheus:
Aber ich verabscheue sie!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Die Willenskraft über den Trieb zu stellen, unterscheidet den Menschen vom Tier.
Orpheus:
Wer das glaubt, hat keine Ahnung vom Leben!
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Meinung, Ahnung vom Leben zu haben.
Sind sie bereit?
Orpheus:
Wozu?
ÖFFENTLICHE MEINUNG:
Zu Höherem.