Leseprobe DIE DOLLARPRINZESSIN
Operette von Leo Fall (Musik)
Textbearbeitung von Peter Lund
Alle Rechte beim Autor ©
1. AKT (Ausschnitte)
In Couders Großraumbüro. Sekretärinnen, Alice
Alice:
Frinton?
Frinton:
Miss Alice?
Alice:
Wissen Sie, wie Baltimore eröffnet hat?
Frinton:
91.58, Miss Alice
Alice:
Sehr gut. Baltimore verkaufen, Frinton. Wissen Sie, wie Goldfield Atlanta stehen?
Frinton:
7,6 Punkte gefallen, Miss Alice.
Alice:
Wie ich es vorausgesehen habe. 1000 Stück kaufen; Frinton. Wissen sie, wie Houston Oil abgeschlossen hat?
Frinton:
Äh-
Alice:
Sie wissen nicht, wie Houston Oil abgeschlossen hat?
Frinton:
Ich wollte es nach der Mittagspause gleich-
Alice:
Nach welcher- Mittagspause?
Frinton:
Verzeihen Sie, Miss Alice-
Alice:
Wissen Sie, wieviele Stenotypistinnen zwischen 18 und 25 in diesem Land arbeitslos sind, Frinton?
Frinton:
Zweihundertsiebenundsechzigstausenddreihundertzweiundzwanzig, Miss Alice.
Alice:
Danke Frinton.
Sagen Sie Mister Couder, ich erwarte ihn in einer Viertelstunde in meinem Büro.
Frinton:
Ich bedaure, aber ich habe Ihren Vater heute noch nicht gesehen.
Alice:
Sie meinen, Mister Couder ist nicht zum Dienst erschienen?
Frinton:
Er kommt sicher noch. Der Chef kommt gerne ein bißchen zu spät ins Büro.
Alice:
Sie meinen, der Besitzer der Firma kommt gerne ein bißchen spät ins Büro.
Der Chef ist immer pünktlich.
Frinton:
Das wollte ich sagen... Chef.
Alice: mit sehr amerikanischem Slang
RICHTHOFEN!
Frinton zieht sich zurück, während Butler Richthofen gemessen in der Tür erscheint. Eine hocharistokratische Erscheinung mit Gummihandschuhen und einem Besen in der Hand.
Richthofen:
Das Gnädige Fräulein haben geläutet?
Alice: seufzt, sanfter als zu Frinton
Nein, ich habe NICHT gelautet! Ich laute nie, wie Ihnen mittlerweile aufgefallen sein dürfte. Wir sind hier nicht in Europa.
Richthofen:
Ich habe es mit Bedauern zur Kenntnis genommen, Gnädiges Fräulein.
Alice:
Und nennen Sie mich nicht dauernd ‚gnadiges Fraulein‘. Ich hasse Umlaute!
Wir hier in Amerika haben die Umlaute abgeschafft. Reine Zeitverschwendung.
Ich hasse Verschwendung. In jeglicher Form. Apropos; Haben Sie meinen Vater gesehen?
Richthofen:
Der Gnädige Herr nimmt gerade sein Morgenbad.
Alice:
Richthofen! Wie oft habe ich Ihnen gesagt, mein Vater ist für Sie Mister Couder!
Ein einfacher Mann aus dem Volke, der sich seine Millionen mit seiner eigenen Hände Arbeit verdient hat.
Richthofen:
Welch eine unangenehme Vorstellung.
Alice:
Richthofen, ich befürchte, aus Ihnen wird NIE ein guter Amerikaner.
Richthofen:
Ich erlaube mir, diese Bemerkung aus ihrem Munde als Kompliment zu betrachten.
Alice seufzt resigniert. Während Richthofen weiter Dollarnoten fegt, Musikeinsatz:
Offene Verwandlung. Couders Pool voller Geldscheine. Alice kommt herein.
Alice:
Daddy! DADDY!!
Couder taucht aus dem Pool auf.
Couder:
Good Morning, my Sunshine!
Alice:
Daddy, deine Angestellten behandeln mich einfach unmöglich!
Couder:
Es geht doch nichts über ein Bad in seinem eigenen Geldspeicher.
Darin herum zu springen, sich die Dollarmünzen auf die Glatze prasseln lassen-
Couder steigt aus dem Pool und greift sich einen Bademantel.
Alice:
Diese Europäer sind zu nichts zu gebrauchen. Sie sind faul, wissen alles besser und zuviel kosten tun sie auch.
Couder:
Na und? Wir haben es doch.
Alice fängt an, ihren Vater liebevoll abzutrocknen.
Alice:
Ja. Weil ich mich darum kümmere. Du warst heute schon wieder nicht im Büro.
Couder:
Du machst das sowieso viel besser als ich.
Alice: quengelt
Das weiß ich. Immer hängt alles an mir. Die Einnahmen steigern. Die Ausgaben senken. Die Sozialabgaben abschaffen. Alles muß ich allein tun!
Couder:
Ich habe es dir gesagt. Du hast einen Mann nötig.
Alice:
Ich habe einen Mann ungefähr so nötig wie einen Betriebsrat.
Couder küßt Alice väterlich. Daisy kommt herein.
Daisy:
Wer braucht einen Mann? Guten Morgen, Daddy.
Alice:
Ich nicht!
Daisy:
Das sagst du nur, weil du eh keinen ab bekommst, große Schwester.
Couder:
Streitet euch nicht, Kinder!
Alice:
Sollte ich je einen Mann haben wollen, werde ich ihn mir einfach kaufen, kleine Schwester.
Daisy:
Ein Mann ist doch kein Möbelstück!
Alice:
Stimmt. Ein Möbelstück ist dekorativer.
Couder:
Sei nicht so streng mit deiner großen Schwester. Sie kümmert sich nur darum, daß der Rest unserer Familie keine Dummheiten macht.
Alice:
Wenn du damit darauf anspielst, daß ich Dicky die Bezüge gekürzt habe-
Couder:
Alice, dein Bruder Dick ist in meinem Auftrag in Europa, um Antiquitäten für meine Sammmlung zu aquiriren. Gerade gestern hat er mir depeschiert, er hätte in Wien ein ganz wunderbares Exemplar aufgetan-
Alice:
Nicht schon wieder, Daddy!
Couder:
Eine wirkliche Ocassion! Eine russische Gräfin! Echter europäischer Hochadel!
Alice: stöhnt
Unsere Wohnung ist voll von europäischem Hochadel.
Couder:
Aber noch keine russische Gräfin.
Richthofen tritt auf
Richthofen:
Gnädiges Fräulein? Die Elf-Uhr-Einnahmen sind eingetroffen.
Alice:
Lassen Sie sie runter, Richthofen.
Richthofen:
Und eine Paketsendung für den Gnädigen Herrn ist abgegeben worden-
Couder: nervös
Danke, Richthofen, ich kümmere mich später darum.
Alice: mißtrauisch
Was für eine Paketsendung?
Couder:
Nichts von Bedeutung.
Alice:
Daddy-
Couder:
Ein... Schnäppchen. Nichts weiter. Nur ein klitzekleiner Gardeoffizier. Ausmusterung bei der preußischen Armee. Da konnte ich unmöglich nein sagen.
Alice:
DADDY!
Ein Wasserfall an Geld ergießt sich in den Geldspeicher. Die Elf-Uhr- Einnahmen.
Daisy:
Daddy ist eben Sammler! Jetzt laß ihm doch sein Hobby.
Alice:
Ein verdammt teures Hobby, wenn du mich fragst.
Daisy: mit Blick auf das frisch gefallene Geld
Wir haben’s doch.
Alice schließt überfordert die Augen.
Daisy:
Ich hätte auch gerne einen Gardeoffizier.
Alice:
Nicht, solange ich in diesem Hause etwas zu sagen habe.
Daisy:
Aber-
Alice:
Solange ich in diesem Hause etwas zu sagen habe, bekommst du eine anständige Ausbildung, Nachhilfe in doppelter Buchführung und eine Schreibmaschine.
Daisy: stöhnt pubertär auf
Uuahhhh!
Alice.
Aber bestimmt keinen Gardeoffizier.
Der Lastenaufzug öffnet sich rumpelnd. Zwei große Holzkisten werden von der Speditionsfirma hereingebracht.
Alice:
Das sind ja ZWEI!
Couder:
Unsinn. Das eine ist-
Daisy:
Wenn Sie einen zuviel geliefert haben, darf ich den dann haben?
Couder:
Sie haben keinen zuviel geliefert. In der großen Kiste ist das Pferd.
Alice:
WELCHES PFERD?!!
Couder:
Gardeoffiziere gibt es nur mit Pferd.
Alice:
Aber-
Couder:
Deswegen sind sie ja so günstig.
Die Spediteure haben die kleinere Kiste geöffnet. Darin Hans von Schlick auf dem Kopf.
Daisy:
Oh.
Couder:zu den Spediteuren
Ja, können Sie denn nicht aufpassen? Da steht doch groß und deutlich „oben“ drauf!
Die Spediteure machen den Deckel wieder zu und drehen die Kiste um.
Alice:
Daddy, das geht zu weit.
Couder:
Was geht zu weit, mein Schatz?
Alice:
Das Pferd! Das Pferd geht definitiv zu weit! Könnte ich dich kurz in meinem Büro sprechen?
Alice stolziert hinaus. Couder schaut resigniert seine jüngste Tochter an und folgt dann Alice.
Daisy:
Daddy!? Wenn du den Gardeoffizier nicht behalten darfst- krieg ich dann das Pferd?
Couder droht Daisy liebevoll mit dem Zeigefinger, geht ab und dreht sich in der Tür noch einmal um.
Couder:
Nicht anfassen!
Couder geht ab. Daisy nähert sich neugierig dem Gardeoffizier, der jetzt richtig herum in der Kiste steht. Sie bewundert ihn, zupft an ihm herum, bläst ihm ins Ohr und piekt ihn schließlich in den Bauch, Die Musik setzt ein; erschrocken hüpft Daisy zur Seite. Der Gardeoffizier erwacht zum Leben und singt. Die Operette ist in Amerika angekommen.....